Mittwoch, 18. März 2020

Ausnahmeferien

Heute ist schon Tag drei des Ausnahmezustandes bzw. der Corona-Ferien, wie ich überall lese. Ich mag beide Wörter nicht. Daher bei uns erstmal Ausnahmeferien.

Normalerweise hatte ich für heute meine Buchvorstellung aus dem letzten Monat geplant, doch nun mag ich erstmal festhalten, was in den letzten Tagen bei uns so los war und was mich aktuell umtreibt. Es hilft mir, die Dinge im Kopf zu ordnen, neu zu bewerten.



Noch vor einer Woche war die Welt relativ normal, klar, Corona ging schon um, aber außer Hygiene Hygiene Hygiene und Bilder von leeren Regalen beim Klopapier in meiner timeline, war nicht viel anders. Da ich in einer Bank arbeite, gab es hin und wieder auch schon mal einen kritischen Blick zur Börse. Mehr nicht.

Am Donnerstag hatte ich schon morgens beim Aufstehen sorgenvollere Gedanken, vertrieb das Grau aber schnell durch Alltagshandlungen. Da in meiner Filiale ständig die neuesten Nachrichten über den Bildschirm flattern, wusste ich schnell um mögliche Entscheidungen zur Schulschliessung. Die schnelle Verbreitung in den Medien machte sich am Mittag schon deutlich bemerkbar, große Verunsicherung herrschte. Nicht nur bei meinen Kollegen sondern auch bei den Kunden.

Am Freitag Mittag kam die Gewissheit für Schleswig-Holstein: Die Schulen und Kindergärten schliessen ab dem kommenden Montag.
Bäm!
Nun galt es zu überlegen, zu organisieren. Wie arbeiten?
Der Mister war krankheitsbedingt noch daheim und telefonierte gleich mit den Vorgesetzten, ich schrieb mails mit den Kollegen.
Aber im Grunde war ich froh, dass diese Entscheidung getroffen war, denn im nur wenige Kilometer entfernten Hamburg würde ab Montag die Schule wieder beginnen, mit vielen Heimkehrern aus Risikogebieten. Und das sich in der Schule eine Infektionskrankheit wie ein Lauffeuer verbreitet, sollte jedem klar sein...!

Als ich unterwegs war zu unserem Wochenendeinkauf, musste ich schon feststellen, dass deutlich mehr los war in den Geschäften als sonst an einem Freitag nachmittag. Doch in meinem Stamm-Supermarkt gab es wirklich alles, kein Regal war leer.
Und ich habe tatsächlich niemanden gesehen, der große Mengen von irgendwas gekauft hat. Und doch gab es in fast jedem Einkaufswagen eine Packung Klopapier. Aber von Panikkäufen kann ich hier nicht berichten. (By the way, wenn aber jeder von allem nur eine Packung mehr mitnimmt als üblich, dann entspricht das eben nicht dem normalen Einkaufsverhalten und das Regal im Supermarkt leert sich....)

Schon am Freitag sagten wir Spielverabredungen für die Große ab, um die sozialen Kontakte zu minimieren.
Die Schule informierte per mail über den Unterrichtsausfall und Betreuungsmöglichkeiten, falls man in "systemrelevanten Berufen" arbeitet. Meine Abendverabredung habe ich gestrichen, aber nur deswegen, weil die Mini krank war und anfing zu fiebern.

Dann kam das Wochenende, am Samstag hörte ich von vielen Freunden und Bekannten, dass die Supermärkte gestürmt würden und die Menschen alles Mögliche aufkauften. Ein Wahnsinn!
Wir hatten zum Glück alles da und mussten uns nicht ansehen, wie die Regale sich leeren. Denn das zu sehen, verleitet noch eher dazu, ein Paket Mehl mehr mitzunehmen als sonst.....wer weiß, wann es wieder was gibt? Solche Gedanken habe ich vielfach vernommen.
Der schleswig-holsteinische Erlass, Fitnessclubs, Schwimmbäder etc. ab sofort zu schliessen, beflügelte diese Situation meiner Meinung nach noch mehr. Aber auch hier: Dringend notwendig!

Wir machten es uns daheim gemütlich, gingen spazieren und fingen an, endlich das Haus frühlingsfrisch zu dekorieren.

Am Sonntag war schon deutlich spürbar, dass die Menschen mehr in ihren Häusern waren. Es war viel viel leiser als sonst, man hörte kaum ein Auto, kein Flugzeug. Einfach nur Stille. Ich empfand es tatsächlich als sehr angenehm.
Das Wetter war großartig und lud zum Spazieren ein, doch ich blieb mit der Mini daheim, die mit erhöhter Temperatur kämpfte.
Die Große schnappte sich Tüten und Einweghandschuhe und ging mit ihrem Papa an den See, um Müll aufzusammeln. Das war ihre Idee, fand ich toll.

Die Mini schlief sehr viel. Ich plante nebenher, wie ich das Homeschooling organisieren könnte, denn die Schule würde sich ja erst am Montag melden.
Der Sonntag war somit relativ entspannt.

Am Montag musste der Mister ins Büro, dazu überließ ich ihm unser Auto, da ich montags nicht arbeite und ich nicht wollte, das er mit der Bahn fährt.
Das Sternchen weckte ich morgens, wir frühstückten, die Mini schlief.
Nach dem Frühstück holten wir ihre Schulsachen raus und wir entschieden Matheaufgaben zu wiederholen zum aktuellen Thema und außerdem die fehlenden Seiten im Englisch-Workbook zu ergänzen, bei denen die Themen bereits abgeschlossen waren. Denn leider gab es noch keinerlei Informationen von der Schule.
Später nutzte sie das schöne Wetter und lief zum See und zu den Spielplätzen.

Die Mini fieberte derweil und ich entschied, die Kinderärztin anzurufen. Wir sollten sofort kommen (nachdem die Fragen nach Reisen und Kontakten zu Covid 19 Patienten geklärt waren).
Meine Nachbarin (zu der wir ohnehin einen fast täglichen Kontakt haben) war so lieb uns zu fahren, weil ich ja kein Auto hatte. Schon auf dem Weg in die Stadt war ich erstaunt, wieviel Menschen unterwegs waren, in den Cafes saßen, Eis schleckten, Jugendliche umherliefen.
Bei der Ärztin konnten wir sofort ins Behandlungszimmer durchgehen, sie arbeiteten ohne Mundschutz und Handschuhe, weil kaum noch Material da sei und sie nichts nachbestellen kann. Und wieder das Mantra: Hygiene, Hygiene, Hygiene!
Die Mini hat eine schwere Mittelohrentzündung und wir entschieden gemeinsam die Verabreichung von Antibiotika, um sie schnell wieder auf die Beine zu bekommen.
Gleich um die Ecke ist die Apotheke, hier war es tatsächlich anders als sonst, die Menschen hielten wirklich Abstand und standen somit sogar auf der Straße.
Vor der Apotheke war ein Schild: Bei Fieber und Husten bitte nicht in die Apotheke kommen, sondern anrufen und bringen lassen.
Also Mini draussen lassen. Da die Türen aufblieben, übergab ich nur schnell das Rezept und die Apothekerin brachte mir die Medikamente.
Und dann wollte ich eigentlich nur noch nach Hause. Mir waren schlichtweg viel zu viele Menschen unterwegs! An der Apotheke hielten sie Abstand, aber auf der Straße gehend....naja. Ich war froh, wieder daheim zu sein und entsetzt, wie ignorant die Menschen sind.

Am Abend kam der Mister und ich fuhr nochmal in den Ort, um Schulhefte und Zwiebeln (denn die hatte ich nicht mehr) und Brot zu kaufen.
In der Drogerie lange Schlangen: keine Seife, kein Toilettenpapier, kein Küchenpapier, kaum noch Putzmittel, selbst die Schulhefte und Blöcke waren stark abverkauft.
Im Stadtsupermarkt gab es keine Zwiebeln, kaum Gemüse, gar kein Brot, kaum noch Joghurt, kein Toilettenpapier, kein Mehl, keine Trockenhefe, kein Backpulver, keine Salzstangen, kaum noch Konserven, keine pflanzliche Milch. Das habe ich dort noch nie gesehen und ich dachte sofort an die Menschen, die von der Tafel abhängig sind, und die nun kaum noch an Vorräte kommen.
Dies bewahrheitete sich bereits einen Tag später, als ich in der Zeitung las, das die Tafeln in unserem Umkreis schließen.

Am Dienstag konnte der Mister HomeOffice machen, so dass ich tatsächlich arbeiten gehen konnte. Schon auf dem Weg zur Arbeit merkte ich deutlich, dass die Straßen leerer waren, aber diejenigen, die in den Autos unterwegs waren, waren oft Senioren. Das irritierte mich. Auch in meiner Filiale waren fast nur Senioren! Das machte mich fast schon wütend, denn es ist ja die Zielgruppe, die es jetzt besonders gilt zu schützen. Kunden, die bereits vorerkrankt sind, die mir erzählten, dass sie die Sicherheitsmaßnahmen übertrieben finden. Ich war nach einem Vormittag echt schockiert.
Natürlich war viel viel weniger los als sonst üblich, aber das hatte ich so nicht erwartet.
Und wenn eine solche Ignoranz herrscht, dann wundert es mich nicht, wenn es dann doch noch eine Ausgangssperre gibt!

Am Mittag machte ich also Feierabend und fuhr einen anderen Supermarkt an, um Brot und Zwiebeln zu kaufen. Hier gab es zum Glück fast alles, aber eben auch schon sehr ausgesucht.

Daheim tauschte ich mich mit dem Mister aus, vermutlich kann er in der kommenden Woche auch einen Tag HomeOffice machen. Die Große hatte inzwischen ein wenig Deutsch-Aufgaben machen können, da hier bereits Infos gekommen waren. Die Arbeitsblätter waren in der Vorwoche bereits verteilt worden.

Am Nachmittag machten das Sternchen und der Mister einen Spaziergang und kamen mit Fotos von abgesperrten Spielplätzen zurück. Überall hängt nun Absperrband und es sind Hinweissschilder angebracht. Zum Glück haben wir einen Garten. Aber wie ergeht es all denjenigen, die diese Möglichkeit nicht haben?
Das Sternchen begriff auch erst gestern, was es bedeutet, sich mit den sozialen Kontakten einzuschränken: keine Oma, keine Tante, keine Freundinnen hier bei uns zu Hause. Wir entwickelten gegen die Traurigkeit Pläne: Filme, Bücher, Basteleien und so weiter. Ich erstellte einen Tagesplan für die kommende Zeit.

Und heute? Heute wollen wir uns ein wenig an den Tagesplan halten. Ich habe eine Idee, wie wir unsere Pläne festhalten können. Und ich warte auf Nachricht von meinem Arbeitgeber, ob die Filialen tatsächlich täglich geöffnet haben werden. Aktuell bin ich diese Woche erstmal zu Hause. Der Mister ist ganz normal im Büro.
Ich bin sehr dankbar, in einer solch priviligierten Situation leben zu dürfen. Ich bin dankbar, dass es viele Menschen gibt, die weiterhin für unsere Versorgung sorgen, die weiterhin täglich alles geben!
Danke.

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